Das Thema meiner Zeichnung hat einen direkten Bezug zum Leben – zum eigenen Wohlbefinden, zum Leben innerhalb eines Bauwerkes, eines Hauses, aber auch einen direkten Bezug zur Freimaurerei. Kann man das überhaupt trennen?
Fragen zum Bauen
Architekten oder Ingenieure mögen mir den Umgang mit der Auflistung und der Beantwortung der nachfolgenden Fragen nachsehen, mir kommt es vor allem auf die Perspektive an:
- Warum bauen Menschen?
- Was ist Ihre Motivation?
- Was ist der Nutzen oder Zweck eines Bauwerks?
- Ein großes Bauwerk? Gut.
- Wer baut?
- Wie baut man?
- Hält das?
- Und wer sagt, wie man das baut?
- Wie sieht das alles hinterher überhaupt aus und was werden die Nachbarn sagen ?
- Was muß ich alles bedenken?
- Wer kann all dies entscheiden?
- Wer soll das alles schließlich bezahlen?
- Ist es der Plan?
- Ist es die Ausführung?
- Ist es ein Zusammenspiel von vielen Faktoren, die das Bauen ermöglichen?
Ich möchte versuchen, einen Teil dieser Fragen zu beantworten. Bei allen Formen des Bauens gilt das gleiche Prinzip. Von der Idee zur Planung, von der Umsetzung und Ausführung zur Wirkung und zur Zweckmäßigkeit.
Ein Bild vor Augen haben, einen Entwurf machen, Stein auf Stein die Gestaltung des Baukörpers vornehmen. Erfahrung führt zur Umsetzung des Entwurfes, dann die Ausführung; helfende Hände; eine fest geordnete Struktur, die das alles festlegt, regelt, eingreift und kontrolliert.
Dies ist beim Bau der Pyramiden nicht anders gewesen als bei der neuen Planung für Ground Zero in New York. Alles hat seine Motivation, seine feste Struktur – seine Systemabläufe.
Vor Beginn eines Bauwerks müssen alle der oben genannten Fragen beantwortet sein. Mit einem bloßen Aufeinanderstapeln einzelner Materialien, von Bauelementen und von Steinen, wäre es nicht getan, es bedarf einer konstruktiven Befestigung der einzelnen Stoffe, bzw. der Steine Der Bau braucht insgesamt einen Zusammenhalt; über den einen alles umfassenden Plan hinaus, der von der Grundsteinlegung bis zum Firststein alle Eventualitäten bedenkt.
Um die zuvor genannten Fragen zu beantworten, möchte ich mich auf den Baustil in einer besonderen Epoche festlegen:
Die Gotik
Ich möchte versuchen, einiges in Bezug auf das Bauen, insbesondere auf das Bauen in Bezug zur Freimaurerei abzuleiten.
Durch die Gotik änderte sich nicht nur die Bauweise, sondern auch die Werkstoffe und deren Bearbeitung. Bis in das 12. Jahrhundert des letzten Jahrtausends hinein behauptete sich der romanische Stil mit ins Großartige sich entwickelnden Dombauwerken. Der romanische Baustil war massiv und schwer. Eine neue Sprache der Baukunst wurde bereits um 1140 beim Bau der Basilika von St. Denis entwickelt. Zum Zentrum der Hinwendung zum Neuen wurden neben der Ile de France die Normandie und das Burgund.
Zu den frühesten Bauten des neuen – des gotischen – Stils gehörten in Deutschland die um 1230 errichtete Liebfrauenkirche in Trier und die Elisabethkirche in Marburg. Der neue Baugedanke drückte sich nicht im Grundriss aus – dieser war im Vergleich eher dem romanischen ähnlich. Die Neuerungen drücken sich vielmehr im Aufriss und der Gestaltung aus. Man überwand in der Baumasse das Massive und Schwere. Man gestaltete in eleganten Bögen die Gewölberippen, ließ sie sich kunstgerecht ausgekehlt erheben und als Finale der Säulen himmelwärts streben. Die Gotik ist das Zeitalter der Gewölbe. Historisch betrachtet ist der Gewölbebau schon zu Zeiten der Römer perfektioniert, dann aber vergessen worden. Er wurde neu erfunden und weiter entwickelt, bis er sich in der Gotik zu einem der wichtigsten Stilmittel entwickelte. Vom Schlussstein, dem obersten mittleren Stein, werden die Kräfte jeweils in einem Viertelkreis nach unten umgeleitet – bis sie senkrecht über die Mauern auf das Fundament treffen, auf dem das Gewölbe steht.
Die Bauwerke wurden höher. Sie wurden jetzt durchweg aus Steinen gebaut – es begann das Zeitalter der Steinmetze und die Vollendung ihrer Kunst. Die Steinmetze bearbeiteten mit ihren Werkzeugen und großem handwerklichem Geschick die einzelnen Steine. Die Meister fertigten das Projekt, den Grundriss. Sie fertigten Aufrisse nach bewährten geometrischen Grundsätzen.
Sie fanden das richtige Maß der aufeinander abzustimmenden Proportionen, das Verhältnis von Länge zu Breite zu Höhe des Hauptschiffes, des Chorschlusses und der sich daraus ergebenden Abmessungen für Fenster, Pfeiler und die Konstruktion der Gewölbe. Die Zeichnungen wurden übrigens für besonders knifflige Konstruktionen schon im Maßstab 1:1 gefertigt. Die Kuppel der Kirche Santa Maria del Fiore in Florenz etwa wurde auf der anderen Flussseite im Originalmaß im Sand aufgerissen, um die richtigen Proportionen zu finden. Die Baumeister waren meist tüchtige Handwerker.
Einige von ihnen hatten einen hohen Grad von Bildung und Welterfahrenheit, manche waren darüber hinaus auch Denker und Philosophen. Sie schöpften ihr Wissen aus sehr vielen – manchmal auch von dem christlichen Glauben abweichenden Quellen. Das war zur damaligen Zeit nicht gerade ungefährlich – so waren sie zur strikten Geheimhaltung verpflichtet. Da sie nicht das Recht hatten, ihre Kenntnisse auf Papier niederzuschreiben – dies war dem Klerus vorbehalten – gaben sie Ihre Erkenntnisse mündlich weiter. Strikte Geheimhaltung schützte die Eingeweihten.
Der Zirkel war des Baumeisters Werkzeug – mit dem Zirkel wurden die Verhältnisse und die Proportionen festgelegt. In dem Steinsetzbüchlein von Straßburg fand Albertus Magnus eine besondere Erwähnung. Albertus brachte den Lehrsatz des Pythagoras und seine mathematische Zahlenphilosophie für den Kirchenbau in Anwendung. Sein Lehrsatz beruhte auf der Einheit, welche er in den Achtort als dem Mysterien-Schlüssel seiner neu erdachten Baulogik legte. Diese Einheit ist nach seinem Schlüssel ein Zeichen für die Einheit Gottes. Gott ist eins, und eins ist ohne Anfang und Ende – was symbolisch durch den Zirkel oder den gerechten Kreis ausgedrückt wurde. Denn der Kreis enthält die Kraft, die Festigkeit, das beharrliche Streben, stets wieder an den ersten Ausgangspunkt zu gelangen. Der Zirkel ist demnach das wirksamste Werkzeug der praktischen Baukunst.
Albertus nahm den Achtort als Grundprinzip und System des Stils und der Konstruktion, in dessen Mitte er seinen Zirkel stellte. Geometrisch wurde der Achtort aus zwei überkreuz liegenden Quadraten entwickelt. Aus eins entspringt durch Hinzufügung von zwei drei, die Dreieinigkeit, und aus drei vier, die Zahl der Evangelisten. Die doppelte Vier an den acht Ecken der beiden Quadrate ergibt den Achtort, die in der Gotik wichtigste Figur der Architektur.
Bei der Anwendung des Pythagoras in der Konstruktion des Achtorts sind die Zahlen: 3,4,5,8, deren Grundlage oder Wurzel eins ist. Das heißt, sie liegen im Zirkel. Das rechtwinkelige Dreieck deutet die Zahl drei. Es stellt den Menschen dar und setzt ihn ins Verhältnis zum Materiellen und zum Geist des Göttlichen Prinzips.
All dieses findet in unserem Ritual bzw. in der Zeichensymbolik Anwendung und erhält dort seinen Sinn. Mathematische Formeln, Geometrie, Ableitungen und Hypotenusen sind einzelne Gesichtspunkte und die Voraussetzung zum Bauen überhaupt. Dass ein ganzes Bauwerk in seiner Einzigartigkeit so wirken kann – zeigt etwas ganz Anderes.
Wir bleiben beim Beispiel der gotischen Kirche. Man deutet die Geometrie gotischer Kirchen als Abbild des göttlichen Prinzips. Für die eingeweihten Meister war eine Kathedrale mehr als ein Bauwerk. Sie glich vielmehr einem Musikinstrument wie der Harfe, auf dem man eine erhabene Tonart hervorbringt, und man glaubte, dass alle, die das Bauwerk betrachten, ebendies auch hören würden.
Man setze sich also in den Bremer Dom – eine Harfe habe ich zu dem Zeitpunkt, als ich dort gesessen habe, nicht gehört, aber es haben sich bei mir einige Gedanken zur Freimaurerei eingestellt. Man setze sich also dorthin – in den Bremer Dom –, nehme sich Zeit und betrachte in Ruhe den Bau.
Wie hält das eigentlich alles zusammen?
Warum sieht jeder Stein so unterschiedlich aus?
- Große Steine
- Kleine Steine
- Runde Steine
- Halbrunde Steine
- Konische Steine
- Tragende Steine
- Verzierungen
- Fragmente
- Säulen
- Rundbögen
- Gewölbe
- Fenster
- Kapitelle
- Strebepfeiler
- das Nordschiff
- das Südschiff
- Kapellen hier
- Portale und Türen da
- Licht, in dem alles hervortritt, Schatten, der zum Licht einen Gegenpol bildet – einen Ausgleich schafft.
Das Kräfteverhältnis muss zwingend ausgeglichen sein. Aber erst Licht bringt Schatten hervor. Ohne Licht bliebe alles im Einerlei der Dunkelheit. Bewegung setzt Ruhe Unruhe entgegen, belebt Schwere mit Leichtigkeit. Als Schönheit empfinden wir die Harmonie der Proportionen. In Betrachtung des harmonischen Bauwerks bewundern wir die Weisheit der Baumeister.
Ist das Kräfteverhältnis nicht ausgeglichen, wird das Bauwerk einstürzen. Ist nicht alles berechnet und aufeinander abgestimmt, wird es einstürzen. Wird beim Bau gepfuscht, wird das Gebäude einstürzen. Der Bau wird nur dann Bestand haben, wenn alles perfekt aufeinander abgestimmt ist, wenn alle Steine fest miteinander verbunden sind. Nur wenn die auszuführende Arbeit genau geplant ist – wenn alle Tugenden und Eigenschaften, die man dazu braucht, nach einem gemeinsamen Plan zur rechten Zeit am rechten Ort eingesetzt werden, kann das Werk bestehen; bei Einsatz von Fleiß und Ausdauer, bei Einsatz aller zur Verfügung stehenden Werkzeuge und unter der Voraussetzung, dass alle Steine passgenau bearbeitet worden und an den rechten Platz gesetzt worden sind.
Gemeinsam an dem großen Ziel zu arbeiten: an der Fertigstellung des Bauwerks in seiner schönsten Form, vollendet und perfekt, schön und erhaben.
Freimaurer bauen keine Kirchen oder andere Bauwerke. Sie bauen den Tempel der Humanität. Die Steine, die dazu gebraucht werden, sind die Menschen. Der Mensch erreicht das Ziel seiner Einheit nur, wenn die in ihm wohnenden Naturkräfte ins rechte Gleichgewicht gebracht worden sind. Sein Leben kann im freimaurerischen Sinne nur dann erfolgreich sein, wenn es zugleich harmonisch und schön geführt worden ist.
Das Geheimnis der Freimaurerei ist vielleicht dieses: das Zusammenspiel der Kräfte der Natur – und der Mensch sei bestrebt, der Harmonie des GbaW zu gleichen.
Unser Ritual bringt es mit drei Worten auf den Punkt:
- Weisheit
- Stärke
- Schönheit
Weisheit, Stärke, Schönheit – Auf diesen drei Säulen soll unser Bau ruhen.
Zeichnung (Vortrag) zum 6.02.2008: Der Bau und das Bauen